Das minimum viable product: Königsweg oder Spiel mit dem Feuer?

September 2011

Unter erheblichem Medieninteresse und mit massiver Unterstützung seiner Silicon Valley Kollegen aus Wissenschaft und Wirtschaft bringt Eric Ries sein alsbald zum Standardwerk aufsteigendes Buch: The „lean start up“ heraus. In dem Buch skizziert er, wie Unternehmen sich verhalten müssen um zu Beginn des 21ten Jahrhunderts aggressiv wachsen und erfolgreich am Markt performen zu können.

September 2018

Der über Eric Ries bekannt gewordene Begriff des minimum viable product hat sich zu einem einem Dogma der Start Up und Investmentszene entwickelt. Start Up Camps, Experten, einschlägige Literatur, Blogs und Webseiten: alle predigen unseren Gründern so schnell wie möglich über rudimentär entwickelte Versionen ihrer Produkte in Kontakt mit dem Markt zu kommen und diese dann über sogenannte „Iteration“ mit dem Kunden ständig anzupassen bis etwas Sinnvolles entstanden ist.

Der Hype ist nicht ganz unbegründet: Warum soll ich jahrelang etwas entwickeln was später keiner am Markt will? Nur der direkte, persönliche Kontakt mit dem Kunden zeigt mir ob meine „den Lauf der Weltgeschichte revolutionierende Idee“ wirklich interessant ist oder ob ich mir die unbegrenzten Möglichkeiten meines Produktes nur eingebildet habe. NUR DER MARKT ENTSCHEIDET. Keine Jury, kein Zeitungsartikel, kein Start Up Preis und auch nicht die langen Sitzungen mit Mitarbeitern und Freunden. Nur was verkauft wird und die Probleme der Kunden löst hat eine Chance auf Erfolg.

Soweit so gut. Wer den Trend aber mit etwas innerer Distanz, gesundem Menschenverstand und kühler Überlegung begegnet, der erkennt aber auch die in der derzeitigen Debatte völlig untergehende Gefahr eines MVP. Die Wahrheit ist: Schlechte, unvollständig funktionsfähige Produkte sind in der Lage den Ruf einer Firma zu zerstören, bevor sie die Chance hatte sich zu beweisen. Es gibt immer nur einen ersten Eindruck. Etliche Softwareprodukte, Internet of Things Lösungen, Haushaltshilfen, Maschinen und erst Recht medizinische Produkte oder Nahrungsmittel müssen sehr weit entwickelt und sehr zuverlässig konzipiert sein bevor sie in den market place eingeführt werden können. Elon Musk hätte sich ein stark fehlerhaftes minimum viable product nicht erlauben können – viele Software Startups sind weg vom Fenster wenn der erste Eindruck nicht stimmt. Niemand möchte die Beziehung zu seinen Kunden oder die Sicherheit von Freunden und Familie aufs Spiel setzen nur um einem Start Up die Chance auf die Verbesserung seines Produktes zu geben.

Fazit:

Den go to market zwingend über ein minimal viable product zu gehen ist ein Spiel mit dem Feuer. Der Einzelfall entscheidet. Gründer müssen höllisch aufpassen Investoren und Kunden kein unterentwickeltes oder gar fehlerhaftes Produkt zu präsentieren, wenn Sie Monate oder gar Jahre harter Arbeit viel Geld und Ihren Ruf nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen. Zwar ist es wichtig intern schrittweise vorzugehen und gezielte Tester mit einer Demo überzeugen zu können – aber der Schritt auf die große Weite des Marktes sollte wohl überlegt sein.

Autor: Marcus Brumme

Die WEGVISOR® Business Angels unterstützen wirksam potentialreiche StartUps bei der Umsetzung ihrer Vision durch Frühphasenkapital, Netzwerk, Know-How, Anschlussfinanzierungen und Persönlichkeitsentwicklung.

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